Selbstwahrnehmung

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"Selbstführung beginnt dort, wo du deine eigene Innenwelt klarer siehst als die Erwartungen anderer."

ZIEL DES MODULS
Du lernst, deine Selbstwahrnehmung zu vertiefen – systematisch und praxisnah. Ziel ist es, ein „Inner Leadership Dashboard“ zu entwickeln: eine Landkarte deines inneren Erlebens, die dir hilft, dich bewusst zu führen.

Warum Selbstwahrnehmung ein wichtiger Schlüssel ist?

Selbstwahrnehmung ist die Grundfähigkeit, sich selbst bewusst zu erleben – mental, emotional, körperlich, verhaltensbezogen. Sie ist die Voraussetzung für:

  • Emotionale Intelligenz und Selbststeuerung (Goleman)

  • Authentisches und wertebasiertes Leadership

  • Resilienz in komplexen Kontexten

  • Wachstumsfähigkeit (Learning Leadership)

  • Echtheit in Beziehungen und Teams

Ohne bewusste Selbstwahrnehmung reagieren wir auf äußere Einflüsse mit alten Mustern – statt frei zu wählen.

Definition & Unterscheidung:
S
elbstwahrnehmung schafft den inneren Raum. Selbststeuerung gestaltet, was du darin tust.

  • Die Fähigkeit, den eigenen inneren Zustand bewusst wahrzunehmen, ohne ihn sofort zu verändern.

    • Was denke, fühle, spüre und glaube ich gerade?

    • Welche inneren Muster, Reaktionen, Bewertungen laufen ab?

    • Woher kenne ich das? Welche Trigger sind aktiv?

    Sie ist nicht bewertend, sondern beobachtend – wie ein inneres Radar.

  • Die Fähigkeit, auf Basis der Selbstwahrnehmung das eigene Verhalten gezielt zu beeinflussen – emotional, kognitiv, körperlich oder handlungsbezogen.

    • Wie kann ich meine Emotionen regulieren?

    • Wie verändere ich meine Reaktion bewusst – statt im Autopilot zu handeln?

    • Wie setze ich gesunde Grenzen oder ändere meine Haltung in der Situation?

    Selbststeuerung ist zielgerichtet und interventionsorientiert – sie braucht vorhergehende Klarheit.

  • Situation:

    Du bekommst in einem Team-Meeting unerwartet kritisches Feedback.

    • Selbstwahrnehmung: Ich spüre einen Druck im Brustkorb. Ich fühle mich angegriffen und bin innerlich auf dem Sprung. Ich denke: „Das ist unfair.

    • Selbststeuerung: Ich atme bewusst durch, sage innerlich „Stopp“, formuliere eine klärende Frage, statt direkt zu kontern oder mich zurückzuziehen.

    Ohne Selbstwahrnehmung: automatische Reaktion.
    Mit Selbstwahrnehmung + Steuerung: bewusste, gestaltende Führung.

    Selbstwahrnehmung ist die Voraussetzung.
    Ohne sie agierst du reflexhaft. Mit ihr entsteht der Raum zur Wahl.

    Selbststeuerung ist die Umsetzung.
    Sie übersetzt Wahrnehmung in bewusstes Verhalten – situativ angepasst und langfristig entwicklungsorientiert.

 

Was du durch Selbstwahrnehmung entwickelst

  • Einen inneren „Radar“ für Gedanken, Gefühle, Körpersignale & Reaktionsmuster

  • Bewusstheit über unbewusste Trigger, automatische Handlungsschleifen

  • Zugang zu deiner Meta-Ebene: Du beobachtest dich selbst beim Erleben

  • Entscheidungsfähigkeit, Handlungsfreiheit und emotionale Klarheit

Selbstwahrnehmung bedeutet: Ich bin anwesend in mir – auch wenn es herausfordernd wird.

 

Wissenschaftliche Theorie

Selbstwahrnehmung ist eine zentrale Führungsfähigkeit, deren Wirkung empirisch gut belegt ist.
Sie beeinflusst die emotionale Regulation, Entscheidungsqualität, soziale Wirkung und mentale Gesundheit.

Tasha Eurich (2018)
Harvard Business Review
„What Self-Awareness Really Is (and How to Cultivate It)“

Nur 10–15 % der befragten 5.000+ Führungskräfte waren tatsächlich selbstwahrnehmend, obwohl 95 % glaubten, es zu sein. Externe Selbstwahrnehmung (Wie wir auf andere wirken) ist entscheidend für Führungserfolg.

Richard Davidson & Jon Kabat-Zinn (2003)
Psychosomatic Medicine

„Alterations in Brain and Immune Function Produced by Mindfulness Meditation“

Eine 8-wöchige Achtsamkeitspraxis führte zu signifikant höherer Aktivität im linken präfrontalen Cortex – dem Zentrum für Selbstregulation und positive Affektbalance. Selbstwahrnehmung ist trainierbar und neuroplastisch wirksam.

Daniel Goleman (2013)
Research Compilation, Korn Ferry Institute

„Emotional Intelligence and Leadership Performance“

Führungskräfte mit hoher Selbstwahrnehmung erzielten signifikant bessere Ergebnisse in Mitarbeiterbindung, Teameffektivität und Change-Fähigkeit. Selbstwahrnehmung ist ein starker Prädiktor für Leadership-Wirkung.

 

Systemtheorie und Selbstwahrnehmung

Nur wer sich selbst beim Beobachten beobachten kann, gewinnt Wahlfreiheit im System.
— Heinz von Foerster

Die Systemtheorie – insbesondere in der Tradition von Niklas Luhmann, Heinz von Foerster und der systemischen Beratung – betrachtet Menschen als Teil komplexer, selbstreferenzieller Systeme. Dabei gewinnt Selbstwahrnehmung eine völlig neue Dimension: Sie wird zur Fähigkeit, sich selbst als Teil eines Systems bewusst zu beobachten.

Zentrale Konzepte:

  • Beobachtung 1. Ordnung: Ich beobachte etwas (z. B. eine Reaktion).

  • Beobachtung 2. Ordnung: Ich beobachte mein Beobachten – also: Was in mir reagiert da gerade auf das, was ich sehe?

  • Der Beobachter erster Ordnung sieht, was ist. Der Beobachter zweiter Ordnung erkennt, wie er sieht.“

    Selbstwahrnehmung ist damit keine introspektive Übung, sondern ein systemischer Hebel für Handlungsfreiheit, Verantwortung und Musterunterbrechung.

    • In systemischer Führung und Beratung ist Selbstwahrnehmung die Grundlage dafür, nicht automatisch in systemische Rollen oder Dynamiken zu verfallen.

    • Wer sich selbst als Teil des Systems reflektiert, kann es bewusst gestalten – statt es unbewusst zu reproduzieren.

  • A)
    Beobachtung 1. Ordnung
    Mein Kollege reagiert ablehnend.
    Beobachtung 2. Ordnung
    Ich interpretiere das Verhalten als Ablehnung – weil ich Kritik meide.

    B)
    Beobachtung 1. Ordnung
    Mein Kollege reagiert ablehnend.
    Beobachtung 2. Ordnung
    Ich interpretiere das Verhalten als Ablehnung – weil ich Kritik meide.

In der Systemtheorie ist Selbstwahrnehmung der Zugang zur Selbststeuerung innerhalb eines komplexen Wirkungsgefüges.

Fazit

  • Die meisten überschätzen ihre Selbstwahrnehmung – es braucht systematisches Training.

  • Selbstwahrnehmung lässt sich neurologisch verändern – durch gezielte Achtsamkeits- oder Reflexionspraxis.

  • Der Impact zeigt sich konkret in Führungsperformance, Beziehungsqualität und Change-Kompetenz.

 

Das Canvas: Self-Awareness Map

Nutze diese visuelle Landkarte, um regelmäßig deine Innenwelt zu reflektieren. Sie bietet dir strukturierte Selbstwahrnehmung in sechs Dimensionen.

Ziel des Canvas:

Dieses Arbeitsblatt hilft dir, regelmäßig innezuhalten, deine Innenwelt wahrzunehmen und Muster zu erkennen. Es geht nicht darum, dich zu bewerten oder zu verbessern – sondern darum, bewusst zu sehen, was da ist, um echte Führung über dich selbst zu ermöglichen.

Anwendung:

  • Wöchentlich oder täglich für 10–15 Minuten nutzen

  • Am besten handschriftlich oder in einem vertrauten digitalen Raum (z. B. Notion, GoodNotes, PDF)

  • Wichtig: Ehrlich, ohne Zensur, mitfühlend

Anleitung:

  1. Innehalten & Verbinden:
    Atme 3x bewusst tief durch, richte deine Aufmerksamkeit nach innen – keine Analyse, nur Präsenz.

  2. Spüren & Notieren:
    Fülle jede Spalte intuitiv aus. Wenn du unsicher bist, schreibe, was kommt – es gibt kein „richtig“.

  3. Muster erkennen & benennen:
    Lies dir zum Schluss alles durch:
    Was fällt dir auf?
    Wo reagierst du immer gleich?
    Was möchtest du beim nächsten Mal bewusst anders machen?

In der Tabelle werden zu 6 Wahrnehmungsbereichen Reflexionsfragen zum Ausfüllen der Map beschrieben.

Bereich Reflexionsfrage Hinweis zum Ausfüllen
Gedanken Was denke ich gerade häufig über mich, andere oder die Situation? Achte auf wiederkehrende innere Sätze oder automatische Annahmen („Ich muss…“, „Das darf nicht sein…“)
Emotionen Welche Gefühle waren heute oder in dieser Woche spürbar präsent? Nenne sie so konkret wie möglich – z. B. nicht nur „schlecht“, sondern „enttäuscht“, „ängstlich“, „berührt“
Körperempfindungen Was hat mein Körper mir signalisiert? (z. B. Anspannung, Müdigkeit, Unruhe, Enge, Hitze) Der Körper reagiert schneller als der Verstand. Wo fühlst du was? Wann? In welcher Intensität?
Verhalten & Reaktionen Wie habe ich auf bestimmte Situationen automatisch reagiert? Denke an typische Muster – z. B. Rechtfertigung, Rückzug, Kontrolle, Beschwichtigung. Was war die Dynamik?
Trigger & innere Geschichten Was hat mich spürbar getriggert – und welche Geschichte erzähle ich mir darüber? „Ich bin nicht gut genug“, „Ich werde nicht gesehen“, „Ich muss es allen recht machen“ – erkenne die Narrative
Meta-Beobachtung Was erkenne ich als übergeordnetes Muster oder wiederkehrende Dynamik? Gibt es ein Thema, das sich durchzieht? Eine Rolle, in die du oft fällst? Eine Schleife, die sich wiederholt?
Gedanken

Reflexionsfrage: Was denke ich gerade häufig über mich, andere oder die Situation?

Hinweis: Achte auf wiederkehrende innere Sätze oder automatische Annahmen („Ich muss…“, „Das darf nicht sein…“)

Emotionen

Reflexionsfrage: Welche Gefühle waren heute oder in dieser Woche spürbar präsent?

Hinweis: Nenne sie so konkret wie möglich – z. B. nicht nur „schlecht“, sondern „enttäuscht“, „ängstlich“, „berührt“

Körperempfindungen

Reflexionsfrage: Was hat mein Körper mir signalisiert? (z. B. Anspannung, Müdigkeit, Unruhe, Enge, Hitze)

Hinweis: Der Körper reagiert schneller als der Verstand. Wo fühlst du was? Wann? In welcher Intensität?

Verhalten & Reaktionen

Reflexionsfrage: Wie habe ich auf bestimmte Situationen automatisch reagiert?

Hinweis: Denke an typische Muster – z. B. Rechtfertigung, Rückzug, Kontrolle, Beschwichtigung. Was war die Dynamik?

Trigger & innere Geschichten

Reflexionsfrage: Was hat mich spürbar getriggert – und welche Geschichte erzähle ich mir darüber?

Hinweis: „Ich bin nicht gut genug“, „Ich werde nicht gesehen“, „Ich muss es allen recht machen“ – erkenne die Narrative

Meta-Beobachtung

Reflexionsfrage: Was erkenne ich als übergeordnetes Muster oder wiederkehrende Dynamik?

Hinweis: Gibt es ein Thema, das sich durchzieht? Eine Rolle, in die du oft fällst? Eine Schleife, die sich wiederholt?

 

Abschlussfrage zur Integration:

„Was möchte ich aus dieser Reflexion mitnehmen – nicht als To-do, sondern als Bewusstsein?“

Methoden und Übungen zum Vertiefen

  • Zweck: Unterbrechen von Autopilot-Reaktionen, Kontakt zur Gegenwart herstellen.

    Ablauf:

    • Minute 1: Was ist jetzt da? (Gedanken, Emotionen, Körperempfinden)

    • Minute 2: Atmung spüren – tief, ruhig, verbunden

    • Minute 3: Offen bleiben – was verändert sich?

  • Zweck: Differenzierte Gefühlswahrnehmung kultivieren

    Täglich notieren:

    • Was war heute meine stärkste Emotion?

    • Wann habe ich sie gespürt?

    • Was war der Auslöser?

    • Was habe ich daraufhin getan?

    • Wie hätte ich anders handeln können?

  • Zweck: Nicht im Erleben verhaftet sein – sondern bewusst wahrnehmen, ohne zu reagieren.

    Übung:

    • In stressigen Situationen innerlich sagen:

      „Ich bemerke, dass ich… (z. B. angespannt bin / mich rechtfertigen will / abschweife)“

    • Dadurch entsteht ein innerer Abstand – die Grundlage bewusster Führung

Wochenplanung zur Selbstwahrnehmung

Praxis-Transfer: Wie Selbstwahrnehmung in den Führungsalltag kommt

Selbstwahrnehmung wird erst wirksam, wenn sie in Mikromomenten des Arbeitsalltags integriert wird – also genau dort, wo Druck, Komplexität und Beziehungsspannung auftreten. Es geht darum, bewusst innezuhalten, sich selbst zu registrieren – und dann integriert zu handeln.

 
Führungssituation Selbstwahrnehmungs-Praxis Möglicher Shift
Kritische Entscheidung unter Zeitdruck Kurz innehalten: „Was ist gerade mein innerer Zustand? Handle ich aus Klarheit oder Reaktion?“ Bessere Entscheidungen durch Differenzierung von Stressimpuls und echter Intuition
Feedback geben (kritisch oder emotional) Innere Check-Frage: „Was löst das Thema in mir aus – Ärger, Sorge, Schuld? Kann ich das erst klären, bevor ich spreche?“ Höhere Authentizität und emotionale Intelligenz im Dialog
Meeting mit Meinungsverschiedenheiten Innerer Dialog: „Was genau triggert mich gerade? Woher kenne ich das Muster?“ Weniger Reaktivität, mehr Gestaltungsraum im Umgang mit Widerstand
Sich nicht gesehen, übergangen oder getriggert fühlen Somatische Selbstwahrnehmung: „Was spüre ich im Körper? Welche Geschichte erzähle ich mir gerade darüber?“ Rückgewinnung von Handlungshoheit statt Eskalation oder Rückzug
Führung eines 1:1-Entwicklungsgesprächs Präsenz-Puls-Check: „Bin ich bei mir – oder in der Rolle, etwas leisten zu müssen? Kann ich einfach zuhören und wahrnehmen?“ Tieferes Vertrauen, echter Kontakt, bessere Beziehungsebene
Kritische Entscheidung unter Zeitdruck

Selbstwahrnehmungs-Praxis: Kurz innehalten: „Was ist gerade mein innerer Zustand? Handle ich aus Klarheit oder Reaktion?“

Möglicher Shift: Bessere Entscheidungen durch Differenzierung von Stressimpuls und echter Intuition

Feedback geben (kritisch oder emotional)

Selbstwahrnehmungs-Praxis: Innere Check-Frage: „Was löst das Thema in mir aus – Ärger, Sorge, Schuld? Kann ich das erst klären, bevor ich spreche?“

Möglicher Shift: Höhere Authentizität und emotionale Intelligenz im Dialog

Meeting mit Meinungsverschiedenheiten

Selbstwahrnehmungs-Praxis: Innerer Dialog: „Was genau triggert mich gerade? Woher kenne ich das Muster?“

Möglicher Shift: Weniger Reaktivität, mehr Gestaltungsraum im Umgang mit Widerstand

Sich nicht gesehen, übergangen oder getriggert fühlen

Selbstwahrnehmungs-Praxis: Somatische Selbstwahrnehmung: „Was spüre ich im Körper? Welche Geschichte erzähle ich mir gerade darüber?“

Möglicher Shift: Rückgewinnung von Handlungshoheit statt Eskalation oder Rückzug

1:1-Entwicklungsgespräch führen

Selbstwahrnehmungs-Praxis: Präsenz-Puls-Check: „Bin ich bei mir – oder in der Rolle, etwas leisten zu müssen? Kann ich einfach zuhören und wahrnehmen?“

Möglicher Shift: Tieferes Vertrauen, echter Kontakt, bessere Beziehungsebene